Wie schwer ist der Abschied von VMware?

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16.04.2024
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7 min Lesedauer
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Im Artikel „Das wahre Problem der VMware-Kunden“ haben wir analysiert: Nur Kunden, die kaum digitalem Wettbewerbsdruck unterliegen, würden bei VMware verbleiben. Denn Open-Source-Software ist günstiger und bietet mehr Optionen zur Konfiguration, die Public Cloud wiederum ist besser und ermöglicht schnellere Software-Entwicklung ermöglichen. Der Vorteil von VMware im eigenen Rechenzentrum wiederum ist im Wesentlichen, dass Organisationen keine unkomfortablen Migrationen und schmerzhafte Prozessveränderungen durchführen müssen. Im Folgeartikel dann beschreiben wir, wie Broadcom diese Passivität seiner Kunden ausnutzt, um Preise zu erhöhen und Gewinne zu maximieren.

Aber sind VMware-Kunden wirklich so passiv? Sind die Veränderungen bei Migrationen wirklich so problematisch wie befürchtet? Das möchte ich im Interview mit Martin Maurer herausfinden. Meine Fragen habe ich per Email gestellt, Martin hat sie in schriftlich beantwortet.

cloudahead Proxmox

Zur Person

Martin Maurer ist CEO & Co-Founder der Proxmox Server Solutions GmbH. Diese beschäftigt sich intensiv mit Server-Virtualisierung und hat eine führende Rolle bei der Weiterentwicklung von Proxmox VE, einer Open-Source-Alternative zu VMware.

Gregor: Wie hat sich die Nachfrage nach Proxmox Virtual Environment geändert seit der Übernahme von VMware durch Broadcom?

Martin: Die Anfragen haben sich vervielfacht. Neben vielen Kunden orientieren sich besonders auch ehemalige VMware-Partner um.

Gregor: Spannend. So passiv scheinen die Kunden ja nicht zu sein. Wie schätzt ihr Proxmox ein im Vergleich zu VMware? Wo seht ihr eure Stärken und Schwächen?

"95 % der VMware Setups lassen sich problemlos auf Proxmox VE umstellen"

Martin: Wir sind Open-Source und lizenzkostenfrei. Das ist der größte Unterschied und befreit Kunden von Abhängigkeit (Stichwort: Vendor Lock-in) und hohen Lizenzkosten. Unsere bisherige Erfahrung zeigt, dass sich etwa 95 % der VMware Setups problemlos auf Proxmox VE umstellen lassen. Nur wenige Dinge sind noch nicht möglich.

Der brandneue Proxmox-VMware-Importer ermöglicht über unser GUI einen direkten Import von VMware - mit nur wenigen Klicks. Der Mitte des Jahres 2024 kommende Proxmox Datacenter Manager hilft Kunden, die mehrere Proxmox VE Cluster haben, bei der übersichtlichen Verwaltung. Neben den Lizenzkosten sparen sich Unternehmen auch teure FC oder iSCSI SANs, da Proxmox VE mit ZFS und vor allem Ceph schon alles mitbringt. Natürlich ist jede Umstellung mit Aufwand verbunden und genau darauf setzt ja Broadcom. Aber wir gehen davon aus, dass vor allem kleine und mittelgrosse Kunden einen Umstieg andenken und durchführen werden –  viele davon zu Proxmox VE.

Gregor: Im Interview mit cloudahead spricht Fabian Peter davon, dass Open-Source-Produkte manchmal weniger „Tiefe und Schärfe“ mitbringen als Closed-Source-Softwares. Er meint damit, dass VMware sehr gezielt sehr viele Detail-Probleme der Corporates lösen, weil die dafür ja sehr viel Geld bezahlen. Wie sehr ihr das bezogen auf Proxmox?

Martin: Das sehe ich komplett anders. Bei Open-Source-Produkten kann das Unternehmen das spezifische Detail-Problem sogar gleich selbst lösen, wenn der Hersteller das nicht machen will oder kann. Unsere Entwicklung ist zu 100 % offen, jeder kann Feature-Requests absetzen und in Absprache mit uns auch selbst Features beitragen und so sein Problem gar selbst lösen.

"Optimalerweise erfolgt der Umstieg gemeinsam mit der Anschaffung neuer, passender Hardware"

Gregor: Welche Faktoren bestimmen denn die Komplexität einer Migration von VMware auf Proxmox VE, und wie lange dauert ein durchschnittlicher Wechsel?

Martin: VMware speichert virtuelle Disks meist auf ihr Filesystem; wir setzen fast immer auf Blockstorage. Daher passt die für VMware optimierte Storage-Hardware nicht immer perfekt für Proxmox VE, da wir mit FC SAN & Co nicht alle Funktionen ausspielen können. Optimalerweise erfolgt der Umstieg gemeinsam mit der Anschaffung neuer, passender Hardware, am besten von einem unserer Proxmox-Partner im Hardwarebereich, die ihre Server und Storage-Komponenten entsprechend mit Proxmox VE testen. Im Netzwerk bieten wir mit unserem Software-Defined Networking (SDN) viele Möglichkeiten, aber natürlich kann die Umstellung hier eine gewisse Komplexität erreichen.

Die Dauer jeder Umstellung variiert natürlich je nach Komplexität und der vorhandenen Erfahrung der Sysadmins, die den Wechsel durchführen. Bei größeren Installationen wird oft über Jahre ein Parallelbetrieb aufrechterhalten und eine schrittweise Migration der Workloads durchgeführt. Der Wechsel geht schneller, wenn – wie aktuell - VMware die neuen, hohen Lizenzkosten vorschreibt und jedem sofort bewusst wird, wie viel Geld hier in Zukunft unnötig abfliesst. Ein KMU-Setup wie zum Beispiel ein 3-Node-Cluster, kann mit guter Vorbereitung in wenigen Tagen migriert werden.

Gregor: Welcher Teil von VMware ist besonders sticky? Sind Kunden mit der Nutzung der Software in besondere Abhängigkeiten geraten?

Martin: Es gibt sicher Abhängigkeiten, zum Beispiel bei der Backup-Software. Wenn die bestehende Backup-Software keine Proxmox VE-Unterstützung bietet, wechseln die Kunden ungern. Die Optionen werden hier aber immer besser, da viele Backuptools aktuell an einer besseren Proxmox VE-Integration arbeiten, so z.B. auch Veeam. Ein weiterer Punkt der Abhängigkeit sind die vielen Mitarbeitenden, die jahrelang auf VMware geschult wurden. Hier geht bei einem Wechsel natürlich einiges an Spezialwissen verloren, jedoch die Grundlagen zum Thema Virtualisierung bleiben ja gleich.

Gregor: Handelt es sich bei den Projekten um 1:1-Migrationen, bei denen einfach nur die Virtualisierungs-Software ausgetauscht wird, oder stehen beim Wechsel auch größere Veränderungen an Prozessen, Organisation, Tools oder anderen Themen an?

"Viele können sich die neuen Preise nicht mehr leisten."

Martin: Ja und nein. Aktuell wollen bzw. müssen viele einfach schnell aus der VMware-Falle raus, da sie sich die neuen Preise schlicht nicht mehr leisten können.

Gregor: Wie viel Umschulungsaufwand kommt denn üblicherweise auf die Unternehmen zu? Muss man wie beim Wechsel zum Mac nur ein paar neue Tastenkürzel lernen, oder ist es eher eine große Änderung wie vom Pferd zum Auto?

Martin: Natürlich funktionieren einige Dinge bei Proxmox VE anders. Aber die Grundlagen und Herausforderungen bei der Virtualisierung sind ähnlich. Der Vorteil ist, dass man sich mit der Dokumentation und der Hilfe der Community im Proxmox-Forum schnell einarbeiten kann. Am schnellsten geht es jedoch mit Consulting eines Partners oder wenn man eine Schulung bei uns oder einem zertifizierten Trainingspartner macht, alles in wenigen Tagen erlernt, und dann im eigenen Testlab selbst ausprobiert.

Gregor: Welche Rolle spielt denn die Psychologie der VMware-ExpertInnen bei einer solchen Migration? Viele haben ja ihre Karriere mit dem Unternehmen gemacht, pendeln seit Jahren auf deren Messen?

Martin: Ja, viele erzählen immer noch, dass etwas, das nichts kostet, nichts Brauchbares sein kann. Sie versuchen Open-Source als etwas abzustempeln, das nur für Home-Labber oder für kleine Installationen geeignet ist. Dabei übersehen sie jedoch, dass auch die grossen Player schon lange mit QEMU/KVM und Linux arbeiten. Und eben nicht mit VMware. Universitäten, Forschungseinrichtungen und staatliche Organisationen versuchen schon immer, US-Software zu umgehen (sollten es zumindest…). Stichwort: Patriot Act. Wir sehen jedoch aktuell, dass der Preis und das missbrauchte Vertrauen psychologisch ausschlaggebender sind als man zunächst gedacht hätte. Dies zeigt sich in den massiv gestiegenen Anfragen bei uns und anderen Alternativen am Markt.

"Kunden unterstützen die Weiterentwicklung freiwillig"

Gregor: Wie ändern sich die wirtschaftlichen Parameter mit einer erfolgreichen Migration? Das Projekt kostet erst einmal, dafür werden Lizenzen deutlich billiger. Braucht man mehr Mitarbeitende? Sollte man sich selbst in die Open-Source-Projekte einbringen? Benötigt man zusätzliche Supportverträge?

Martin: Bei kleinen Unternehmen ohne eigene IT-Abteilung übernimmt der IT-Dienstleiter diese Aufgaben, hier merkt das Unternehmen meist gar nicht, dass eine Umstellung stattgefunden hat. Wenn die eigene IT umstellt, müssen die Admins umlernen. Aber am Ende sind die Mitarbeitenden mit Proxmox VE zufriedener, da sie hier hinter die Kulissen blicken können, einen tieferen Einblick in die Entwicklung erhalten und bei Problemen selbst handeln können.

Die meisten Kunden beginnen mit einem Proxmox VE-Supportabo, das direkte Hilfe durch unsere Fachleuten beinhaltet. Nach den ersten paar Jahren reicht ihnen jedoch oft ein Community-Subskription aus, da sie genügend Erfahrung gesammelt haben, um Probleme selbst zu lösen. Ab diesem Zeitpunkt fallen kaum noch Kosten für den Support an. Viele Kunden entscheiden sich dennoch dafür, ein höheres Subskriptionslevel zu behalten, um das Projekt oder die Entwicklung weiterhin finanziell zu unterstützen. Das freut uns immer sehr und ist für uns natürlich auch eine große Motivation.

Gregor: Das Projekt gibt es ja schon stabil seit 2008. Eine Frage aber noch zum Ausblick: Wie sieht die Zukunft von Proxmox aus? Welche Innovationen sind zu erwarten?

Martin: Dieses Jahr kommt der Proxmox Datacenter Manager, der das Management von mehreren Proxmox VE-Clustern vereinfachen wird. Zudem wird es auch die Unterstützung von diversen Backuptools und -Integrationen geben und offizielle Unterstützung von Storage- und Serveranbietern. Es kommen auch hunderte neue Proxmox Partner, die ihren Kunden bei der Migration helfen und Supportleistungen anbieten.

Gregor: Vielen Dank für das Gespräch.

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