Hat die Private Cloud eine Zukunft?

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13.07.2023
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6 min Lesedauer
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Bevor ich die Frage nach der Zukunft der Private Cloud beantworten kann, bedarf es einer kurzen Begriffsklärung: Cloud Computing ermöglicht, gemäß der Definition von NIST, über ein

  • (1) Standard-Netzwerk
  • (2) mit anderen Nutzern geteilte IT-Ressourcen
  • (3) selbst abrufen zu können, diese
  • (4) sehr schnell skalieren zu können und
  • (5) nach Nutzung zahlen zu können.

Public Cloud ist jene Variante der Cloud, bei der diese IT-Leistungen grundsätzlich allen Interessenten gegen Bezahlung zugänglich sind. Diese Definition trifft auch auf alle drei bekanntesten Clouds AWS, GCP und MS Azure zu.

Anhand diese Abgrenzung ist die Private Cloud die  Cloud-Variante, die zwar die 5 oben genannten NIST-Kriterien erfüllt, aber nur einem eingeschränkten Nutzerkreis zur Verfügung steht. Der Haken: Die wenigsten dieser sogenannten Private Clouds sind im Self-Service durch Kunden verwend- und skalierbar und werden nach Nutzung abgerechnet. Zudem unterscheiden sich viele kaum von klassischen Rechenzentren aus der Vor-Cloud-Ära.

Private Cloud = Non-Hyperscaler

Um keine unnötige Komplexität in die Debatte zu bringen, nutze ich an dieser Stelle eine einfache Definition: Private Clouds sind kleinere oder speziellere IT-Infrastrukturen, die einige der NIST-Kriterien erfüllen.

Wirtschaftlich gibt es ein riesiges Ungleichgewicht zwischen den globalen, hoch-profitablen Riesen AWS, GCP und Azure (Hyperscaler) auf der einen Seite und deren kleinen Wettbewerbern und selbsterstellten Clouds auf der anderen Seite. Die Frage dieses Artikels ist: Können diese „Private Clouds“ dauerhaft im Wettbewerb mit den großen Public Clouds bestehen?

These 1: Es wird immer Private Clouds geben, die deutlich günstiger sind

Beobachtung: Die Public Cloud ist in vielen Bereichen besser, als die meisten der 50.000 deutschen Private Clouds. Unbestritten sind ihre Vorteile hinsichtlich der Einfachheit der Nutzung, Servicebreite, Skalierbarkeit und Dienstleister-Vielfalt. In vielen Fällen ist zudem davon auszugehen, dass sie auch in den Punkten Stabilität und Sicherheit überlegen ist.

Analyse: Die Public Cloud-Anbieter würden sich betriebswirtschaftlich irrational verhalten, wenn sie billiger sein wollten als ihre Konkurrenz, obwohl sie deren Leistungen in vielen Bereichen übertreffen. Auf absehbare Zeit wird es also genügend Raum geben für Private Clouds, ihren Kunden Preisvorteile gegenüber der Public Cloud zu bieten.

Beispiel: David Heinemeier-Hansson beschreibt in seinem Blog ausführlich, wieviel Geld er spart dank seiner Rückmigration in die Private Cloud.

Notabene: David hat das Web-Framework „Ruby-on-Rails“ erfunden, er kennt sich daher für eine unternehmerische Führungskraft gut aus mit IT. Zudem besteht sein Unternehmen im Wesentlichen aus IT-Experten. Es könnte also sein, dass nicht jedes Unternehmen, das versucht seinem Vorbild zu folgen, die gleichermaßen idealen Voraussetzungen mitbringt für eine solche Re-Migration.

These 2: Kunden halten verschiedene IT-Welten parallel

Beobachtung: In der Welt der IT leben seit Jahrzehnten viele Technologie-Generationen nebeneinander. Viele traditionelle Unternehmen wie Banken und Fluglinien betreiben auch 2023 noch Großrechner (Mainframes), deren Ära eigentlich schon in den frühen 1990ern zu Ende ging. Gleichzeitig betreiben sie Software der Nachfolge-Generation (Client/Server) und nun zusätzlich cloud-native Applikationen. Alle drei IT-Märkte wachsen weiterhin. Jener für Mainframes mit 4% pro Jahr, klassisches IT-Outsourcing um 8% pro Jahr und Public Cloud um 21% pro Jahr.

Analyse: Ob strategisch sinnvoll oder nicht: viele Unternehmen scheuen den Wechsel und bleiben mit ihren Applikationen auf den IT-Infrastrukturen, auf denen sie gestartet sind. Was ist der Grund hierfür? Viele Vorteile einer neuen IT-Generation lassen sich erst heben, wenn die Architektur der Software modernisiert wird. Dieses Unterfangen aber ist organisatorisch aufwändig und betriebswirtschaftlich risikoreich. Die CEOs dieser Welt, häufig Juristen oder Betriebswirte, meiden dann meist den steinigen Weg der IT-Transformation. Sie folgen dem Motto: „Never change a running system“.

Beispiel: Etwa 90% der Kreditkartentransaktionen werden weiterhin über Großrechner-basierte Applikationen abgewickelt.

These 3: In der Private Cloud mache ich mir die Welt, wie sie mir gefällt

Beobachtung: Eine wichtige Kernidee eines Hyperscalers ist eben jene des hyper-skalierens. Sprich: Ein Service (z.B. der Container-Service Kubernetes) wird einmal entwickelt und betrieben, auf viele Infrastrukturen automatisiert ausgerollt und von den Kunden im Standard verwendet. Auf diese Weise benötigt Google Cloud für den Betrieb seinen Kubernetes-Services in 37 Regionen (mit jeweils mehreren Rechenzentren) nur etwa 50 Mitarbeitende. Dies führt dann zu den sehr hohen Margen der Cloud-Anbieter von teilweise mehr als 25% vom Umsatz.

Analyse: Die Hyperscaler haben also ein besonderes Interesse daran, vor allem Standardleistungen anzubieten. Unternehmen, bei denen IT zum Kerngeschäft gehört, aber müssen sich differenzieren. Für sie ist es nicht immer eine gute Idee, Standard-IT-Leistungen zu nutzen. Vielmehr besteht ihre Aufgabe darin, sich von den Wettbewerbern zu unterscheiden und dies erfolgt in der digitalen Welt auch über einzigartige IT. An dieser Stelle wird die Private Cloud auch in Zukunft eine große Rolle spielen.

Beispiele: Tech-Unternehmen wie Facebook, Booking.com oder Dropbox nutzen weiterhin ihre eigenen IT-Infrastrukturen.

These 4:  In der Private Cloud kann man Assets besser nutzen

Beobachtung: Clouds sind IT-Infrastrukturen und diese bestehen buchhalterisch aus Vermögenswerten (engl. Assets), wie Gebäude, Kühlanlagen, Server, Netzwerke und Speicher. In der Cloud werden diese Assets gemietet und nach Nutzung bezahlt. Unternehmen sparen sich Investitionen und damit Kapitalbindung. Entscheiden sie sich aber für die Investition, dann können sie diese Anlage optimiert nutzen. Sie können die Server Tag und Nacht im Dauerbetrieb laufen lassen, als Einzelkosten bleibt dann nur noch der Strom. Auch nach 5 Jahren können sie die abgeschriebene Hardware weiterhin nutzen und, im Vergleich zur IT-Miete, besonders viel Geld sparen.

Analyse: Unternehmen mit Anwendungsfällen zur Optimierung der eigenen IT-Assets, können mit der Private Cloud Kosten deutlich sparen.

Beispiele: DeepL etwa betreibt für seine aufwändigen AI-Workloads eigene Server in einem Rechenzentrum in Finnland. Bitcoin-Miner lassen ihre Rechner in der Regel unter Volllast laufen und investieren deswegen ebenfalls in eigene Hardware.

These 5: In der Private Cloud kann man Abhängigkeiten besser reduzieren

Beobachtung: Fälle in denen Public Clouds auf Geheiß US-amerikanischer Behörden abgeschaltet wurden, sind in der EU nicht bekannt, im weiteren Europa allerdings schon. Der russische Entwickler Sergey Bobrov etwa kam auf eine Sanktionsliste der USA und erhielt daraufhin von GitHub die folgende Nachricht: „Access to your account has been suspended“.

Analyse: Der Betreiber eines IT-Services hat zu jeder Zeit im Griff, wem er Zugriff auf diesen Service gewährt. In der Public Cloud kommt diese besondere Verantwortung den europäischen Töchtern von US-Unternehmen zu. Dass europäische Cloud-Kunden auf US-Sanktionslisten stehen und sich vor einer direkten Abschaltung fürchten müssen, ist zumindest theoretisch vorstellbar.

Beispiele: IT-Infrastrukturen, die sich „Souveräne Clouds“ nennen, adressieren das Thema Abhängigkeit. Die souveränen Clouds von Google und Microsoft etwa haben sich entsprechende europäische Betriebspartner gesucht. Viele Behörden betreiben zudem eigene Private Clouds.

Notabene: Die meisten der Private Clouds in Deutschland basieren auf der Virtualisierungs-technologie des US-Unternehmens VMware. Der Eigenbetrieb der Cloud schützt zwar vor einer direkten Abschaltung, die USA könnten dennoch VMware untersagen, Sicherheitsupdates nach Europa zu liefern. Die Private Cloud würde somit nicht sofort, sondern erst nach etwa 6 Monaten unbrauchbar.

Hat die Private Cloud also eine Zukunft?

Definitiv. Public Clouds und Private Clouds werden langfristig nebeneinander bestehen.

Die großen Public-Cloud-Anbieter werden ihre Vorteile bezogen auf Einfachheit der Nutzung, Service-Breite und Skalierung weiter ausbauen. Besonders für Unternehmen, die sich nicht um eigene IT kümmern möchten oder können, bleiben sie damit weiterhin die erste Wahl.

Aber auch Private Clouds wird es weiterhin geben. Einerseits bedeutet es hohe Aufwände, sich ihrer sinnvoll zu entledigen und andererseits bieten sie Unternehmen, die sich gut und gerne um eigene IT kümmern möchten und können, umfangreiche Möglichkeiten, sich in ihrer Nische zu optimieren.

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